12. Juni . Sommertheater
Zuweilen kann eine Gastproduktion viel für den Bekanntheitsgrad einer zeitgenössischen Oper bewirken. Das könnte beim Gastspiel des Teatro Coccia von Novara mit Marco Tarallis Oper »La Rivale« anlässlich des Bartók Plus Opera Festivals in Miskolc der Fall gewesen sein. Uraufgeführt im Dezember 2016, war es an der Zeit, das 70-minütige Werk mit dem Libretto von Alberto Mattioli nach der gleichnamigen, 2007 veröffentlichten Novelle von Eric-Emmanuel Schmitt wieder auf eine Bühne zu bringen. Handelt es sich doch um eine witzige, zwischen Sarkasmus und Ironie schwankende Tragikomödie, die sich nur dem mit dem Operngeschehen und dessen Absurditäten vertrauten Liebhaber erschließt, diesem dafür aber beste Unterhaltung liefert. (Wolfgang Kutscbach – Das Operanglas, September 2018)

Die frühere Primadonna Carmela Astolfi kehrt nach 25 Jahren mit ihrer Betreuerin aus Argentinien zurück, aber weder in der Mailänder Scala noch in einem Schallplattengeschäft erinnert sich jemand an sie. Mit Ausrufen berühmter Namen wird der überbordende Besuch von Touristen in der Scala aufs Korn genommen – „La Netrebko!“, „Divina!“ -, ebenso die Bezeichnung einer Oper nach dem Regisseur und nicht nach dem Komponisten, sowie die hysterische Verehrung von Maria Callas als größter Sängerin aller Zeiten. Dagegen erinnert sich Carmela an eine Aufführung in der Arena von Verona und an „diese Griechin oder Amerikanerin, fett, hässlich, mit einem kleinen Ehemann und hässlicher Stimme“. In der Rückblende eines Scala-Besuchs begegnet man einem Ignoranten als Liebhaber Carmelas, danach in einem Plattengeschäft einer jungen Verkäuferin, die aus der Pop-Abteilung zur Klassik versetzt worden war. Zu den Stimmen verschiedener Aufnahmen von »Madama Butterfly« gibt Carmela nur gehässige Kommentare ab: „Tebaldi“ – „zu schwer“, „de los Ángeles“ – „zu leicht“, „Scotto“ – „zu grell“, „Freni, dirigiert von einem gewissen Karagian“ – „zu deutsch“, „Sinopoli“ – „zu intellektuell“, „Gheorghiu“ – „Um Himmels willen!“. Mit dem Erscheinen des schwulen Opernliebhabers Antonio, der ebenfalls von vergangenen Zeiten schwärmt, scheint sie endlich einen Gleichgesinnten gefunden zu haben, so lange, bis auch er von der Callas zu schwärmen anfängt und sie an einem Herzinfarkt stirbt. In Unkenntnis ihrer Todesursache bringt Antonio in der Grabrede ihre Bewunderung für Maria Callas zum Ausdruck. Auf einem Plattenspieler erklingt „Vissi d’arte“, gesungen von der Callas, worauf Carmela als von Licht umgebene Geistererscheinung mit einem ironischen Kommentar die Schlusspointe setzt.

Ganz im Einklang mit dem kurzweiligen Libretto steht die Komposition des 51-jährigen Marco Taralli, die in konservativer Melodik, mit traditionell geführten Singstimmen und Anklängen an Nino Rota sich sofort für jedermann erschließt. Die Fragmente aus »La Traviata« mit „Parigi, o cara“, dem Vorspiel zum dritten Akt und dem Finale sowie von »Tosca« sind dezent in das Werk eingebunden, passend zu ihrer Erscheinung ist die junge Verkäuferin einem Koloratursopran, der im Stil der Königin der Nacht herumträllert, anvertraut, aber auch der sinfonische Aspekt wird mit Einleitung und siebenminütigem Zwischenspiel vor der Begräbnisszene nicht vernachlässigt. Ausgezeichnet ist es dem Komponisten gelungen, die Singstimmen im Einklang mit den recht skurrilen Charakteren zu führen.

Clou der Produktion war Tiziana Fabbricini als Carmela, jene Sopranistin, die von Riccardo Muti 1990 für die erste »Traviata« an der Scala nach 26 Jahren als Violetta auserwählt worden war. Die vorherige Produktion 1964 mit Karajan/Freni war noch von den Callas-Fans erbarmungslos ausgepfiffen worden, da es in ihren Augen eine Anmaßung war, sich die Rolle der Callas aneignen zu wollen. Die damals völlig unbekannte und bislang nur im Chor des Turiner Teatro Regio aufgetretene Fabbricini wurde über Nacht zum Star und der Callas-Mythos auf ein normales Maß zurechtgerückt. Seit etlichen Jahren beschränkt sie sich auf den Gesangsunterricht, aber für diese Rolle musste sie wohl einfach wieder auf die Bühne. Wenngleich die gesanglichen Anforderungen für die Partie überschaubar sind, Prägnanz, Artikulation, Expressivität und ausdrucksvolle Tiefe zeichnen die – ähnlich wie Maria Callas – nie wegen ihrer Stimmschönheit bewunderte Sängerin nach wie vor aus. Dazu gesellten sich Erfahrung und Bühnenpersönlichkeit einer heute 59-Jährigen.

Von der übrigen Besetzung glänzten vor allem Daniele Cusari als Antonio Melomane (!) mit geschmeidigem, ausdrucksvollem Bariton sowie dem wichtigtuerischen Gehabe und Tonfall eines Opernfans, aber auch Giulia Perusi als junge Verkäuferin mit hellem, frischem und koloratursicherem Sopran. Danile Piscopo war in der originalen Kostümierung eines Platzanweisers der Scala mit gebieterischem, arrogantem Tonfall ein auf Ordnung bedachter Touristenführer. Simona Di Capua gab die Betreuerin der alten Diva, Leonora Tess die von einem Auftritt an der Scala träumende Touristin sowie die alte Verkäuferin. In den Partien des Liebhabers Salvatore und des Geistlichen Bartolo fiel Blagoj Nacoski mit sehr hart und unflexibel geführtem Tenor deutlich von den anderen Protagonisten ab – der 39-jährige mazedonische Tenor ersetzte Giulio Pelligra aus der Aufführung in Novara.

Bestens geriet die Regie von Manu Lalli, die die verschiedenen Schauplätze von Scala, Plattengeschäft, Bar und Begräbnisfeier gekonnt ineinander überfließen ließ. Wie bereits in Novara stand Matteo Beltrami am Pult, diesmal aber vor dem MÁV Symphony Orchestra, ein 1945 von den Ungarischen Staatsbahnen gegründeter Klangkörper, der inzwischen zu den besten ungarischen Orchestern zählt. Produktion und Werk hätten zweifellos die Chance verdient, auf mehr Bühnen gezeigt zu werden, zumal die im Libretto erwähnten Sängernamen austauschbar sind und aktualisiert werden können.

 

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